16.04.2023
Hinter dem Regenbogen. Über die Macht von Symbolen

Am 16. April begann die Reihe der Kanzelreden 2023 in der Wittenberger Stadtkirche St. Marien. Zum Auftakt sprach Dr. Thomas T. Müller, Direktor der LutherMuseen. 

Was hat der aufständische Reformator und Verlierer der Schlacht von Frankenhausen Thomas Müntzer mit Regenbögen zu tun? Viel. In den Bauernkriegen zur Zeit der Reformation war die Regenbogenfahne gewissermaßen das Feldzeichen der Aufständischen um Müntzer. Und zum übernatürlich motivierenden Zeichen wurde er, als nach einer Predigt Müntzers vor der Schlacht von Frankenhausen am Himmel ein Regenbogen - eigentlich wohl ein Sonnenhalo - erschien. Wer wollte solchem Zeichen widerstehen?

Wie Thomas T. Müller, Müntzerexperte, darstellte, führten die Aufständischen eine weiße Fahne mit sich, auf der zum einen der Regenbogen aufgemalt war. Zum anderen trug sie die Inschrift "verbum domini maneat in etternum" (das Wort des Herrn bleibe in Ewigkeit) und "das ist das Zeichen des ewigen Bundes Gottes". Der Regenbogen, den Gott als Bundeszeichen mit Noah in die Wolken gesetzt hatte (Genesis 9,12-17), wurde durch die Jahrhunderte und auch für Müntzer und die Bauern zu dem Hoffnungszeichen schlechthin. 
Müller zeigte anhand weiterer Beispiele auf, wie sich gerade dieses Symbol bis heute weiterentwickelte und für die verschiedensten Bewegungen zum Zeichen wurde: Friedensbewegung, Öko-Bewegung, LGBTQ. Sogar die Bahn hat einen ICE mit dem bunten Bogen. Der Regenbogen gibt Hoffnung, begleitet Sehnsüchte, verbindet Träume und ihre unmöglich-mögliche Erfüllung. 
Gleichzeit machte Müller deutlich, dass Symbole heute fast inflationär gebraucht werden. Die Kraft eines einzelnen Symbols scheint nicht mehr zu genügen. So muss man sie verbinden - so wie die regenbogenfarbigen Gummibärchen, die in Form von Einhörnern angeboten werden. Auch da kennt Müller sich aus - er ist Gummibärchenliebhaber. 
Was den Regenbogen angeht: immer weniger kennen seine Herkunft aus der biblischen Geschichte, die doch gerade für Juden und Christen ihre besondere Bedeutung hat. Seiner Symbolkraft tut das keinen Abbruch und es ist nötig und gut, die Kraft von Symbolen zu kennen und mit ihnen umzugehen.

Der Gottesdienst wurde von Stadtkirchenkantor Christoph Hagemann musikalisch gestaltet, der so maches Überraschungsmoment bereithielt. Da der Regenbogen auch durch das Lied der Dorothy aus dem Zauberer von Oz berühmt ist, baute er den Song "Somewhere over the rainbow" geschickt in den Choral "Vertraut den neuen Wegen" (Evangelisches Gesangbuch 395) ein. 
Die liturgische Leitung hatte Pfarrer Dr. Peter Meyer (Zentrum für Evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur).  Das Nachgespräch leitete Pfarrer Christoph Maier (Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.). Lesungen kamen von Dr. Cornelia Winkelmann und Jörg Bielig von der Stadtkirchengemeinde. 

 

Die weiteren Kanzelreden 2023 finden an den folgenden Terminen statt:

  • Sonntag, 4. Juni um 10 Uhr (Achtung: geänderte Uhrzeit) mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke
  • Sonntag, 3. September um 11 Uhr mit Minister der Verteidigung und des Inneren a.D. Thomas de Maizière
  • Sonntag, 22. Oktober um 11 Uhr mit Pfarrerin Renate Höppner

Weitere Informationen zu den Kanzelreden in der Stadtkirche sind auf der Webseite der Evangelischen Akademie zu finden: https://ev-akademie-wittenberg.de/aktivitaeten/kanzelreden/

 


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