21.06.2025
Dein Wort in Gottes Ohr
Am Donnerstag, 19. Juni, startete die Reihe der Stadtgebete 2025 auf dem Marktplatz.
Vom Donnerstag nach dem Stadtfest bis zum letzten Donnerstag im September laden die christlichen Gemeinden der Stadt einmal in der Woche um 17 Uhr zum Stadtgebet vor das Alte Rathaus ein. "Dein Wort in Gottes Ohr" ist die Überschrift. Menschen aus Wittenberg geben Impulse, was sie in der Stadt und der Gesellschaft wahrnehmen und womit sie Gott im Ohr liegen wollen im öffentlichen Gebet. Musik, wiederkehrende biblische Texte und einfache gesungenen Elemente ermöglichen allen, mitzutun beim Stadtgebet.
Zur Eröffnung war der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör zu Gast. Er hatte sich ein Bibelwort ausgesucht, das für den 19. Juni in den "Herrnhuter Losungen" veröffentlich war: "Gott er Herr spricht: Ich will noch mehr sammeln zu der Schar derer, die versammelt sind." (Die Bibel - Jesaja 56,8) Seine Beobachtung: Gemeinschaft stärkt. Gemeinschaft stützt den Glauben, hält Hoffnung wach, tut einer Gesellschaft gut und ist notwendig.
Das Stadtgebet wurde musikalisch vom Kantor der Schlosskirchengemeinde, Kirchenmusikdirektor Ulrich Hirzbruch, begleitet. Die Leitung lag bei Pfarrerin Dr. Hanna Kasparick.
Kasparik erläuterte auch den Zusammenhang mit der Kunstinstallation "Restlicht". Diese ist seit 19. Juni und noch bis zum 31. August auf dem Marktplatz zu sehen. Durch die in eine Stahlplatte gebohrten Jahreszahlen von 1938 bis 1945 projiziert sie diese Zahlen auf den Boden – und auch auf die Kleidung oder Haut von Menschen, die sich in den Schatten der Installation begeben.
Die Installation erinnert an die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und gedenkt der Opfer der NS-Barbarei. Im November 1938 wurden Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört und in Brand gesetzt, der Antisemitismus brach gewaltsam aus. 1945 endete der Zweite Weltkrieg und die Nazidiktatur war zerschlagen. Über 6 Millionen Juden waren ermordet worden, dazu tausende Menschen mit Behinderungen, Sinti und Roma, politische Gegner, Homosexuelle und manch andere. Durch den Krieg wurden über 60 Millionen Menschen getötet.
Der Schöpfer der Installation, Werner Mally, war beim Stadtgebet anwesend und stand danach zum Gespräch bereit. Am 21. Juni bekam Mally den Kunstpreis der Stiftung Christliche Kunst verliehen.
An der Installation wird wöchentlich ein neues Gedicht präsentiert von einer jüdischen Künstlerin oder einem jüdischen Künstler. Am Sonntag, 24. August 2025 um 11 Uhr laden die Schloss- und Stadtkirchengemeinde zum Gottesdienst anlässlich des Israelsonntags in die Stadtkirche ein. Predigen wird Pfarrerin Christin Jahn. Schon am Freitag, 22. August um 19 Uhr spricht Michael Weise (seit 2023 Kurator bei der Stiftung Lutherhaus Eisenach) über "Jesus, der Galiläer - Jesus, der erste Antisemit" und zeigt auf, wie die Kirchen in der Nazizeit zunehmend nazifiziert wurden. Er geht der Frage nach, wie Kirchen auf diesen Irrweg geraten konnten und wie dieser konkret ausgesehen hat.
In diesem Jahr greifen die Stadtgebete besonders das Gedenken auf und zeigen die untrennbare Verbindung zwischen Juden und Christen auf. Etliche Veranstaltungen – wie der Gottesdienst, der Vortrag und die Installation – bilden mit dem Gebet eine Einheit, die zum Nachdenken einlädt.