04.10.2022
Mausoleum Jahn - der Beginn eines neuen Weges

Die Studentin Sarah Becker widmete einen Teil ihrer Studienzeit einem Gebäude auf dem Friedhof der Dresdener Straße in Wittenberg.

Ihre Entdeckungen beschreibt sie im Interview mit Pfarrer Fabian Mederacke.


Frau Becker, wie kamen Sie dazu sich in Ihrem Masterstudium sich mit ein Mausoleum in Wittenberg zu beschäftigen?
In unserem Masterstudium der Konservierung und Restaurierung, Fachrichtung Stein, an der FH Potsdam ist eine Projektarbeit, in der wir theoretisch und praktisch an Objekten arbeiten ein großer und zentraler Bestandteil Der Kontakt nach Wittenberg kam über die langjährige Kooperation unserer Professorin Dr. Jeannine Meinhardt mit Frau Dr. Hennen zustande, die sich wiederum sehr für die Denkmalpflege und u.a. für den Erhalt verschiedener Objekte auf dem Friedhof engagiert. Das Jahn Mausoleum hat mich von Anfang an sehr interessiert. Zum einen ist es mit seinen goldenen Mosaiken und glasierten Keramiken optisch sehr ansprechend. Zum anderen hat mich die notwendige umfassende baudenkmalpflegerische Betrachtung interessiert.


Was ist das Ziel Ihrer Projektarbeit?
Das Ziel meiner Projektarbeit ist die Bestands- und Zustandserfassung des Außenbereichs des Mausoleums. Diese umfasst die Kartierungen der verwendeten Materialien, Recherchen zu deren Eigenschaften und Herstellung und eine genaue Beschreibung der eingesetzten Baumaterialien. Ebenso werden die Schäden an der Baukeramik und den Fugen detailliert erfasst und kartiert. Diese Arbeiten habe ich außerdem durch eine Archivrecherche zur Historie des Objekts ergänzt. Zusätzlich erfolgte eine Luftkeimmessung im Inneren des Mausoleums, um Aussagen treffen zu können, inwieweit bei weiteren Schritten besonderes Augenmerk auf den Arbeitsschutz gelegt werden muss.Es können aus den Ergebnissen notwendige Maßnahmen abgeleitet werden, die im Rahmen der Restaurierung und Instandsetzung sowie bei einer weiteren Nutzung in dieser Hinsicht bedacht werden müssen.
 

Ist das Mausoleum ein besonderes oder gibt es davon viele?
Häufig sind die äußere Erscheinung von Mausoleen durch Naturstein oder Putzoberflächen gestaltet. Eine vollständige Verkleidung mit Baukeramik, wie beim Mausoleum Jahn, findet sich in unserem Kulturkreis eher selten. Die Fülle an Baukeramik und Mosaiken und die Liebe zum Detail zeichnen das Jahn Mausoleum aus. Die gestalterische Intention ist hier als deutlich höher zu bewerten als bei anderen Mausoleen.


Mausoleen an sich können generell als besondere Bauwerke verstanden werden, da sie keinem Grundtypus unterliegen, wie zum Beispiel Kirchen. Die Gestaltung ist sehr individuell und allein den Vorstellungen von Architekt und Bauherren unterworfen. Dies wird bei der sehr ausgefallenen Gestaltung des Jahn Mausoleums in einem Mix aus neo-gotisch, neo-byzantinisch und orientalisierendem Stil besonders deutlich.


Was haben Sie über die Familie Jahn herausgefunden?
In meinen Quellenrecherchen - unter anderem im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde - konnte ich tatsächlich einiges zur Familie Jahn herausfinden. So war Paul Jahn Preußischer Steuerinspektor und Hauptmann und lebte mit seiner Frau Clementine in Berlin Schöneberg. Kinder hatte das Ehepaar wahrscheinlich nicht. Es existieren neben seinem Testament auch ein Stiftungsvertrag, in dem sehr detailliert festgehalten ist, wie nach dem Tod des Ehepaars mit dem Mausoleum verfahren werden sollte. Auch die Originalpläne, verschiedenen Skizzen des Architekten, Rechnungen und der Schriftverkehr zum Bau des Mausoleums existieren noch. So kann unter anderem nachvollzogen werden, woher Materialien und Bauteile bezogen wurden. Auch diese überaus gute Quellenlage zu einem Objekt ist besonders und hat einige spannende Details zum Vorschein gebracht.


Welche Bedeutung hat es für die Stadt Wittenberg?
Mausoleen sind ein ganz besonderes Zeugnis der Sepulkralkultur des 19. und 20. Jahrhunderts, da sie als deren größte Steigerung verstanden werden können. Sie stellen einen sehr aufwendigen Bestattungstypus dar, der mit großem finanziellen Aufwendungen und intensiver Beschäftigung mit der Gestaltung der letzten Ruhestätte einer Person oder eines Personenkreises einhergeht, die weit über den Tod dieser Person(en) hinaus besteht. So sind die Mausoleen als Ensemble nicht zufällig auf dem Wittenberger Friedhof platziert, sondern erhielten einen besonderen Ort an dessen Südmauer. Hier sind sie einerseits gut zugänglich und sichtbar und bestimmen darüber hinaus auch von außen betrachtet die Silhouette des Friedhofs. Das Jahn-Mausoleum sticht aus diesem Ensemble durch seine Details und Konturen besonders hervor.


Haben Sie überraschende Entdeckungen am Mausoleum Jahn gemacht?
Aus materialtechnologischer Sicht war es für mich zunächst einmal spannend, mich mit der Fülle an Baukeramik, in Form von Steinzeug und Steingut, zu beschäftigen. Auch die Durchsicht der historischen Quellen hat, wie schon erwähnt, viele spannende Details zum Vorschein gebracht. So empfand ich es als sehr besonders, den letzten Willen von Paul Jahn lesen zu können und im Stiftungsvertrag nachzuvollziehen, wie detailliert er den Erhalt des Mausoleums und sein Gedenken nach seinem Tod geplant hat. Er formuliert hier zum Beispiel wie an seinem Todestag und Geburtstag Kränze niedergelegt werden sollen, mit genau definiertem Geldwert an genau beschriebener Stelle. In Anbetracht dieser Akribie, dem Vergessen und Verfall
vorbeugen zu wollen, wirkt es umso tragischer, dass das gesamte Stiftungsvermögen bereits einige Jahre nach seinem Tod der Inflation und dem Anleihenablösunggesetz nach dem ersten Weltkrieg zum Opfer fiel.


In welchem Zustand ist es heute?
Das Mausoleum ist leider in keinem guten Zustand. Die Gebäudeabdichtungen, insbesondere das Dach, sind nicht mehr intakt. Das hat zu Wassereintrag in das Mauerwerk und in den Innenraum geführt. In Folge dessen kam es zur Besiedlung der Oberflächen durch Mikrobiologie und auch zur Ablösung von Keramiken. Auch Risse spielen eine erhebliche Rolle bei der Zustandsbewertung. Inwieweit diese auf statisch konstruktive Ursachen zurückgehen, kann nur durch eine zusätzliche Untersuchung des Baugrundes gesichert festgestellt werden. Die Feststellung der Ursachen aller auftretenden Schäden ist von großer Relevanz für die Auswahl der geeigneten Restaurierungsmaßnahmen.


Welche Perspektiven sehen Sie für das historische Bauwerk?
Das Mausoleum könnte beispielsweise als Kolumbarium weiter genutzt werden und/oder als kleine Kapelle. Mit seinen prächtigen Mosaiken im Innenraum und der besonderen Lichtsituation, mit der goldenen Kuppel und den blau-verglasten Fenstern, wird es nach der Restaurierung ein sehr stimmungsvoller Ort sein, der Trauernden einen atmosphärischen Raum bieten kann.
Hierbei sollte aber auch unbedingt die Grablege des Ehepaares Jahn berücksichtigt werden und deren so detailliert überlieferter letzter Wille.


Wie hoch schätzen Sie die Kosten für die Restaurierung?
Über die Kosten kann ich selber in meiner Projektarbeit keine Aussage treffen. Meine Projektarbeit und die in deren Rahmen angefertigte detaillierte Zustandserfassung sollte aber für zukünftige Planende gute Grundlage sein, diese realistisch abzuschätzen.


Was sind die nächsten Schritte für das Mausoleum nach dem Abschluss Ihrer Masterarbeit?
Wie bereits erwähnt, gilt es nun, die bauliche Gründung des Mausoleums, auch mit Hinblick auf vorhandene Abdichtungen fachmännisch abzuklären. Danach können konkrete Maßnahmen Instandsetzungs- und Restaurierungsmaßnahmen entwickelt werden. Je nach Finanzierungsmodell können die erforderlichen Maßnahmenschritte in einem Stufenplan konzipiert werden. Als erster Schritt ist sicherlich die Wiederherstellung der Gebäudeabdichtung und des Wasserablaufs unabdingbar, um einen weiteren Verfall zu vermeiden.


Zur Weiterentwicklung des Mausoleums wird derzeit eine Projektgruppe gebildet. Interessierte können sich gern im Gemeindebüro melden.


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